Freitag, 19. Februar 2010

Jugendmedienschutz-Staatsvertrag - Nichts ist vom Tisch

Die Nachricht bei golem , der neue Entwurf des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages sei in dieser Form vom Tisch ist erstmal eine gute Nachricht. Seien wir ehrlich - dieser Entwurf war wirklich bizarr absurd!
Das dieser Entwurf vom Tisch ist, bedeutet aber auch, das an einem neuen Entwurf gearbeitet wird. Es ist davon auszugehen, dass, in welcher Weise auch immer, der Staatsvertrag auf das Internet Anwendung findet.
Was wird diskutiert? Wie soll Jugendschutz Im Internet umgesetzt werden? Was kommt als nächstes? Wir wissen es nicht! Wir müssen darauf vertrauen, dass Vorschläge und Entwürfe "durchsickern".
Es kann nicht sein, das Themen die des breiten öffentlichen Diskurses benötigen in Form von "geheimen Entwürfen" behandelt werden - kein Wunder das dann bizarre Entwürfe herauskommen. Dies hat nichts mehr mit Demokratie zu tun!

Ich fordere:

* Öffentliche Sitzungen der Rundfunkkomission!
* Transparentere Verfahren, vor allem zügige Veröffentlichung von Entwürfen und Diskussionsgrundlagen!
* Einbindung der Bürger in die Diskussion!

Lasst uns die JMStV-Mahnwachen nutzen um genau dies zu fordern! Ein neuer JMStV wird kommen, auch wenn dieser Entwurf erstmal vom Tisch sein sollte.

Montag, 15. Februar 2010

Doodledemokratie und die Piraten

Eine Diskussionsanregung zu mehr Professionalität

Doodle ist ein nettes einfaches Werkzeug, wenn man versteht es zu benutzen. Es braucht nicht viel Fantasie, sich vorzustellen, dass der Versuch demokratischer Meinungsbildung mit doodle schnell im Chaos enden würde.

Demokratie ist nicht einfach.
Sie setzt offene Diskussion, den Willen zum Konsens und mühevolles ringen um Kompromisse voraus und wendet erst, als quasi letztes Mittel, offene oder geheime Wahlen an. Es muss vermieden werden, dass die Interessen von Minderheiten übergangen werden und Extremisten überhand gewinnen. Doodle kann das nicht: Demokratie ist eben nicht einfach.

Nun ist die Piratenpartei angetreten um wichtige Grundvoraussetzungen der demokratischen Meinungsbildung zu verteidigen, schlicht und einfach, weil keine andere Partei dies mit der notwendigen Aufmerksamkeit tut:

* Privatsphäre (z.B. Datenschutz, Schutz vor Überwachung)
und

* freien Zugang zu öffentlichen Informationen (dazu gehört auch liberalisierung des Urheberrechts, Netzneutralität, aber auch Transparenz staatlicher Einrichtungen, etc. pp.)

* Rechtsstaatlichkeit (z.B. pro Unschuldsvermutung und gegen Präventivstrafrecht)

Damit haben wir bereits ein großes Aufgabengebiet.
Unsere Privatsphäre ist durch die digitale Revolution massiv und akut gefährdet. Beim Zugang zu öffentlichen Informationen droht uns derweil die Riesen-Chance des Internets durch Zensur- und Sperrgesetze vertan zu werden. Diese Erkenntnisse sind weder neu, noch stammen sie aus der Piratenpartei. Nach den Terroranschlägen vom 11.9.2001 gab und gibt es eine massive Verschlechterung in diesen Bereichen.

Wir erleben, wie auch in anderen Ländern diese Voraussetzungen für Demokratie bedroht und Schritt für Schritt abgebaut werden: Sei es in GB mit überbordender Videoüberwachung, sei es Italien mit der verquickung aus Politik und Medien, sei es Frankreich mit HADOPI oder die Türkei mit einem gesperrten youtube. Wir brauchen nicht einmal nach China oder in den Iran zu schauen um uns der Gefahr bewusst zu werden!

Natürlich gibt es ganz ernstgemeinte Bestrebungen den Meinungsaustausch im Internet zu manipulieren, eine umfassende Zensur aufzubauen! Eine ganze Reihe von Projekten, Gesetzesvorhaben und Verträgen drohen uns. Hier und heute! Es ist unsere Bürgerpflicht hier tätig zu werden, bevor es zu spät ist!

Es ist Zeit geworden dies mit dem Vehikel "Partei" auch auf die politische Bühne zu tragen.

Bis hierher, so hoffe ich doch sehr, stimmen mir alle Piraten überein. Bis hierhin gibt es in der Piratendatei sozusagen eine "Doodledemokratiefähigkeit", einen Konsens den man voraussetzen kann. Dies eint uns.

Waren die Piraten anfangs doch ein eher homogenes Gebilde, größtenteils im Umkreis des CCC entstanden, so ist durch den Hype 2009 die anfänglich Gruppierung um einiges bunter geworden. Die anfängliche Gruppierung wäre wahrscheinlich viel eher in der Lage gewesen, ein Vollprogramm zu entwickeln. Dennoch hat sie es bewußt nicht getan. Zu wichtig waren und sind die Kernthemen, als das man es sich erlauben wollte, zudem sah man sich auch nicht breit genug aufgestellt.

Sicher hat das Konzept "Mitmachpartei" im Wahlkampf 2009 implizit die Erwartung ausgelöst, beliebige politische Inhalte einbringen zu können und dafür auch Aufmerksamkeit zu bekommen. Das war ein Fehler.Viele sind nun enttäuscht. Konservative, anarchistische, sozialistische, sozialdemokratische, liberale und libertäre Einstellungen lassen eben nur eine kleine Schnittmenge zu. Dies mit dem Band des Verfassungspatriotismus ("die Grundgesetzpartei") zu umschliessen ist bereits eine gute Erkenntnis und kann uns - bei konsequenter Anwendung - weit tragen.

Wir dürfen nicht übersehen, dass wir also ein sehr heterogener Haufen aus Querdenkern, Hobbypolitikern, Nerds, Hackern, Künstlern, klassischen Alternativen, Gamern, Profipolitikern, Metzgern, Vegetarier, Sozialpädagogen usw... sind, die auch aus durchaus unterschiedlichen Gründen für Ihre Freiheit kämpfen.

Konkreter: Vor Kürze gab es bei der Abstimmung über das Stammtischlokal der Münchner einen Doodlekrieg, einen Flamewar auf der Maillingsliste mit allen üblichen Verleumdungen und Beschimpfungen. Ist es nicht naiv anzunehmen, wir könnten Konsens oder zumindest Kompromiss über z.B. Wirtschaftsfragen, Fragen aus Klimapolitik oder eine Stellungnahme zum Thema Gesamtschulen hinbekommen? Während wir gleichzeitig unsere Parteistruktur erst aufbauen?

Laufen wir hier nicht Gefahr, uns völlig zu verzetteln und im Doodlekrieg unterzugehen? Das sich Radikale oder "Spinner" bestimmter Themen bemächtigen?

Wenn wir die Partei in die Beliebigkeit überführen wollen, wenn wir unser Alleinstellungsmerkmal verlieren wollen, so ist eine "Doodledemokratie", in welcher (ohne Rücksicht auf Konsens & Kompromiss) Mehrheitsbeschlüsse zu allen möglichen Themen gefasst werden, der beste Weg dazu!

Wenn wir die Heterogenität der Piratenpartei als etwas wünschenswertes erhalten wollen, so bleibt uns also nichts anderes übrig, als uns im wesentlichen auf die oben genannten Kernthemen zu beschränken. Schon dies ist ein umfassendes Feld, das unserer vollen Aufmerksamkeit bedarf.

Des weiteren sollten wir auch nicht beim Konzept "Partei" das Rad neu erfinden. Bewusst wurde das Vehikel "Partei" gewählt, diese Suppe müssen wir jetzt auch auslöffeln! So sehr uns die etablierten Parteien auch ärgern: Uns als Piraten ist es durchaus erlaubt, von Grünen, FDP oder SPD zu lernen und dort als funktionierend erkannte Strukturen zu übernehmen. Auch sie bestehen aus Menschen und hatten sicher ähnliche Startschwierigkeiten wie wir. Wir haben die Form "Partei" für die Piraten gewählt und sind eben kein Kaninchenzüchterverein! Wir haben doch Profis in unseren Reihen (Tauss, Beer, Rusche), warum sollten wir sie nicht konsultieren und etwas mehr Professionalität wagen?

Aktueller Anlass für diese Streitschrift ist meine ganz konkrete Befürchtung unsere Kampagnenfähigkeit zu verlieren. Ich sehe, wieviel Aufmerksamkeit ein Aaron, der ganz offensichtlich die gemeinsame Linie des Verfassungspatriotimus verlassen hat (Basisdemokratisches Verständnis auf doodle-Niveau, Islamophobie,"Angriffskrieg") verschlingt, mit welche Leidenschaft und Emotion über banale Parteiinternas gestritten wird! Und wie wenig Aufmerksamkeit unsere konkreten Themen wie JMStV, ACTA, ELENA-Verfahren, Vorratsdatenspeicherung erhalten. So bekommen meine Befürchtungen Nahrung.

Mit dem einigenden Band des Verfassungspatriotismus ist es übrigens durchaus möglich, Leute wie Aaron zu isolieren (warum dies der Bundesvorstand nicht tut ist mir völlig rätselhaft) bzw. von vorneherein abzuschrecken.

Ich wünsche mir:

* Eine klare Distanzierung vom mittelfristigen Ziel eines "Vollprogramms".
* Eine schlanke Hierarchie mit handlungs- und entscheidungsfähigen Vorständen.
* Insgesamt mehr Professionalität wagen. Professionalität bedeutet auch, sich mit den Themen "festangestellte Mitarbeiter (vgl. #forum fail)" und Berufspolitikern zu befassen.